Freie Wahl statt Berufung

ZdK-Vizepräsident Thomas Söding über geteilte Macht und geteilte Verantwortung

Was ist Macht? Wer hat sie und wie kann sie kontrolliert werden? Vor allem in der Kirche?  Im Pfarrbrief der Pfarrgemeinde St. Oliver in Laatzen hat der Vize-Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Söding, sowohl persönliche als auch deutliche Worte gefunden.

Thomas Söding, heute Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum, ist in Hannover geboren und im Bistum Hildesheim aufgewachsen. Diese Erfahrung einer Kirche in der „Diaspora“ ist sein Ausgangspunkt, sich dem Verhältnis von „Geteilter Macht – geteilter Verantwortung“ zu widmen – wie sein Beitrag im aktuellen Pfarrbrief der Pfarrgemeinde St. Oliver in Laatzen betitelt ist. Es sind die Erinnerungen an die Größe, Tiefe und Schönheit des Hildesheimer Doms, in den ihn seine Großmutter mitgenommen hat. An die Jesuiten in Hannover. Oder auch an die lange Zeit als Lektor und die kurze Zeit im Kirchenvorstand. 

Diese Erfahrungen lassen Kirche wichtig werden: „Ich weiß, dass die Gestalt Jesu von Nazareth in einem Nebel der Vergangenheit verschwimmen würde, wenn es die aktuelle Auseinandersetzung mit ihm nicht geben würde: das gemeinschaftliche Vaterunser, die öffentliche Verkündigung des Evangeliums, die gesungenen Lieder der Christusnachfolge“, schreibt Söding.

Wichtig bedeute aber nicht, die Kirche über sich herrschen zu lassen. In seiner Familie habe Söding schon früh den Satz gehört: „Wir gehen ja nicht wegen des Pastors in die Kirche“. Für Söding Ausdruck einer doppelten Kirchenerfahrung. Bindung an die Kirche – ja. Aber nur mit einer inneren Freiheit. Kurz: „Ich lasse nicht über mich herrschen.“

Vom persönlichen Glauben zur Gestalt der Kirche: Macht und Gewaltenteilung seien ein Schlüsselthema, da hier geklärt werde, wie die katholische Kirche ihre Probleme lösen wolle. Vor allem, wie sie Menschen gewinnen wolle, die nach wie vor bereit seien, sich für Glauben und Kirche einzusetzen. "Die Notwendigkeit einer Reform ist groß", schreibt Söding.

Unerlässlich dabei – Macht und Verantwortung zu teilen. Dabei reiche der gute Wille von leitenden Geistlichen nicht aus: „Es braucht klare Regeln, an die sich beide Seiten halten. Es braucht gemeinsame Beratungen und gemeinsame Entscheidungen, gemeinsame Kontrolle, gemeinsames Nachjustieren, gemeinsame neue Pläne.“

Das Kirchenrecht sei dabei keine große Hilfe. Es betone einseitig die Vollmacht der Kleriker. Es müsse, schreibt Söding geändert werden. Schließlich müsse, wer ein Amt hat, auch Vertrauen genießen. Vertrauen durch das Ablegen von Rechenschaft. Für Söding ist das ein Schritt, wie ein selbstverständlicher demokratischer Mechanismus in die Kirche einziehen kann. 

Doch zu Rechenschaft und Mitberatung gesellt sich noch ein drittes Element: die Mitwirkung und Mitentscheidung. Da geht sein Blick wieder in Richtung Bistum Hildesheim: „Einzelne Bistümer, auch Hildesheim, haben bislang nur einen kirchenrechtskonformen Diözesanpastoralrat, der lediglich beraten, nicht aber mit entscheiden kann.“ Andere Bistümer, wie Rottenburg-Stuttgart und Limburg seien weiter, beide päpstlich anerkannt. 

Bleibt aber die Frage, wer mitwirken und mitentscheiden darf. Auch das hat Söding eine klare Ansage, auch für das Bistum Hildesheim: „Nicht die freie Berufung, sondern die freie Wahl muss das Leitprinzip sein.“ Ein Bischof dürfe sich seine Kontrolleur*innen nicht aussuchen. Das Grundgebot heiße Transparenz – nicht nur intern, sondern auch extern: „Die Kirche ist öffentlich – deshalb muss es auch öffentliche Sitzungen geben, öffentliche Haushalte, öffentliche Pastoralpläne.“

Das alles ist für Söding kein deutscher Sonderweg. Lateinamerika sei weit voraus, die Schweiz habe nachgezogen. In Deutschland sei die Kirche dabei, die bisherigen Strukturen weiterzuentwickeln: Gremien, die mehr zu sagen haben, mit klaren Überlegungen, wie die Kirche der Zukunft aussieht. Denn: „Der Heilige Geist hat aber noch viel vor, auch mit der Katholischen Kirche.“ 

pkh/wala