Gott loben in 16 Schritten
Meditativer Tanz in der Pfarrgemeinden Heilig Geist in Hannover-Bothfeld
Gebete leben nicht nur von Worten, sondern auch von Gesten. Das Lob Gottes lässt sich auch tanzen. So wie einmal im Monat in der Pfarrei Heilig Geist in Hannover-Bothfeld.
"So ihr Lieben, jetzt wollen wir Gott loben – soweit es der Rücken zulässt“: Es sind humorvolle Worte diese, mit denen Monika Kulle ab und an den Elan ihrer Gruppe zügelt und gleichzeitig die vermeidliche Schwere ihres Angebots nimmt. Es ist Montagabend und im Pfarrheim von Heilig Geist in Hannover-Bothfeld hat Monika Kulle wie jeden Monat zum "Meditativen Tanz" eingeladen.
Daher Bremsen von Elan und Nehmen von Schwere: Es geht weder um Hochleistungssport noch tiefe Versenkung im eigenen Selbst: „Ich lade Frauen ein, mit Kreistänzen zu entspannen und neue Energie für ihr Tun im Alltag zu schöpfen“, erläutert Monika Kulle. Und das hat auch viel mit Gott zu tun.
Zum Bremsen gehört, dass der Einstieg in den meditativen Tanz nichts mit Aufwärmgymnastik zu tun hat, sondern mit Besinnen und Nachdenklichkeit. Monika Kulle liest eine Geschichte vor. Es geht um den „kleinen Dank“, den niemand mehr möchte. Die große Dankbarkeit unter den Menschen, Wünsche und Forderungen ja, aber einen kleinen Dank – was soll man schon damit. Aber eigentlich ist der kleine Dank genau das, womit großes Glück anfängt.
„Herunterkommen, das ist wichtig zu Beginn des meditativen Tanzes“, betont Monika Kulle. Sie versteht Meditation als Erfahrung des eigenen Selbst in der Tiefe. Und Tanz als die älteste und elementarste Form der religiösen Äußerung. Daher zum Beginn einmal die Seele durchpusten, um zur Ruhe zu kommen und offen zu werden, „damit wir mit Leib, Seele und Geist tanzend auf Gott hinwachsen“.
Freude, Trauer, Bitten und Dank in Tanzschritten
Und wie geht das? So wie Gebete mit Gebärden gestaltet werden (und wenn es nur die gefalteten Hände sind), werden im Tanz Freude, Trauer, Bitten und Dank in Schritten ausgedrückt. Wichtig ist dabei die gestaltete Mitte: „Sie ist unser Orientierungspunkt“, erläutert Monika Kulle. Auch der Kreis, der gemeinsam getanzt wird, hat eine grundlegende Funktion: „Man erfährt dadurch die Verbundenheit mit anderen Menschen, die Stärke durch Gemeinsamkeit und gleichzeitig die Unendlichkeit Gottes.“
Monika Kulle schaltet die Musik auf ihrem Handy ein und lässt sie zu drahtlos zu einem kleinen Lautsprecher übertragen. Häufig sind es Volksweisen aus anderen Ländern, die Monika Kulle nutzt. Denn in anderen Kulturen und in anderen Religionen ist es selbstverständlich Gedanken, Glauben und Gefühle in Tanz auszudrücken.
Ein Beispiel ist der Ulmentanz aus Lettland. „Wir fangen mit Schritten rückwärts an“, sagt sie zu ihren Mittänzerinnen. „Weil’s ja manchmal nicht so gut läuft im Leben und wir Rückschläge einstecken müssen.“ Aber dann geht auch wieder vorwärts. Auch aufwärts. Die Hände und Arme werden nach oben gestreckt. Zu Gott. Auch zu seinem Lob. Aber eben nur so weit, wie es der Rücken zulässt.
Ohne Vorkenntnisse. Nur mit bequemen Schuhen und leichter Kleidung
Die Altersspanne der beiden Gruppen, eine davon in Hl. Kreuz in Altwarmbüchen, ist breit: von Mitte 50 bis Mitte 80. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Bequeme Schuhe und leichte Kleidung reichen. Und ein wenig Neugier, auf das was kommt.
Ein anderer Tanz lässt die Beine Schritte vor, zur Seite und wieder zurück tanzen. „Wir tanzen die Strahlen der Sonne“, erläutert Monika Kulle zu Beginn: „Vielleicht wird euch ja warm.“ Im Laufe des Tanzes werde es aber schneller und intensiver: „Ich mache jetzt mal die Musik an und wenn’s euch tüdelig wird, dann mache ich sie wieder aus“. Keine Hochleistung, keine Schwere, aber durch den Tanz den Glauben lebendiger machend.
So geht es auch mal 16 Schritte vor, acht zurück und vier zur Mitte – und dann Stampfen. „Aber richtig stampfen, fest in die Erde rein“, animiert Monika Kulle. Denn auch das, was nervt, kann und muss raus. Mit Nachdruck, um allen Ballast loszuwerden. Dann wieder vier zurück, der Kreistanz beginnt von neuem nur in die andere Richtung. Die Gemeinschaft der Tanzenden trägt einander. Bis zum Vaterunser. Das wird ausnahmsweise nicht getanzt. Aber mit Gesten gestaltet.
Verbindung von Tanz und Gebet
Für Monika Neumann ist es genau diese Gemeinschaft, die sie beim meditativen Tanzen schätzt: „Das ist einfach schön, wir lachen viel, das macht Spaß.“ Die Musik beschwingt, „wir gehen in die Mitte und holen uns Kraft“. Das hat für Monika Neumann auch etwas mit Glauben zu tun: „Das gehört dazu und dann kommt diese Zuversicht auch.“ Sie ist seit sechs Jahren dabei und der meditative Tanz hilft ihr, mit Schicksalsschlägen umzugehen – der verstorbene Ehemann, eine Chemotherapie: „Hier zu sein, zu tanzen, das tut mir gut.“
„Der Alltagsstress verfliegt beim Tanzen“, ergänzt Ingrid Dreimann. Die Bewegung, aber auch die durch das Meditative angestoßenen Gedanken helfen, zur Ruhe zu kommen und zu sich selbst zu finden. Für sie wird der meditative Tanz zu einem wichtigen Ankerpunkt.
Auch für Gudrun Wolf ist die Gruppe in Heilig Geist ein Ruhepol: „Hier mache ich mal was für mich.“ Selbst ist sie auf vielfältige Weise in der evangelischen Nachbargemeinde St. Nathanael aktiv. Die Teilnahme an der Gruppe der katholischen Geschwister helfe ihr, sich auf Wesentliches zu besinnen: „Das Meditative spricht mich sehr an.“
„Ich gehe jetzt froh ins Bett“, sagt Gretel Smarsli am Schluss der gut zwei Stunden mit Besinnung und Bewegung: „Das Tanzen macht so viel Spaß.“ Die Gruppe in Heilig Geist hat sie sich gezielt ausgesucht: „Ich habe meditatives Tanzen kennengelernt als es die Begegnungsstätte St. Martin in Germershausen noch gab.“ Zu Hause in der Region Hannover wollte sie das gerne fortsetzen: „Da habe ich den Tipp bekommen, geh doch mal zu Monika Kulle, die macht das so schön locker.“ Und genauso sei es. Locker.
Rüdiger Wala