Das Bild bleibt hängen
Schwere Vorwürfe gegen Pater Kentenich, den Gründer der
Schönstatt-Bewegung: Wie erschüttert sind Mitglieder der Geistlichen Gemeinschaft? Maria Lohaus hat keine Angst vor der Wahrheit.
Die Vorwürfe gegen Pater Josef Kentenich (18851968), den Gründer der Schönstatt-Bewegung, wiegen schwer: Die italienische Theologin Alexandra von Teuffenbach wirft ihm systematische Manipulation von Mitgliedern der Gemeinschaft und sexuellen Missbrauch einer Schwester vor. Von Teuffenbach stützt sich dabei eigenen Angaben zufolge auf Dokumente aus den Archiven des Vatikans aus der Zeit des Pontifikats von Papst Pius XII. (19391958), die seit März freigegeben sind. Darunter befinden sich Briefe und Gesprächsprotokolle mit Schwestern, die im Rahmen einer Prüfung des Schönstatt-Werkes durch den Vatikan verfasst wurden (siehe hier: <link https: www.kiz-online.de ruf-nach-transparenz external-link-new-window externen link in neuem>Ruf nach Transparenz).
Szenenwechsel: ein Einfamilienhaus in Ronnenberg bei Hannover. Hier wohnt Maria Lohaus. Im Wohnzimmer der 62-jährigen Künstlerin hängt ein großes von ihr gemaltes Porträt von Pater Kentenich: Nein, ich nehme es nicht ab, sagt Maria Lohaus zu ihrem Werk.
Sie wurde förmlich in die Schönstatt-Bewegung hineingeboren: Meine Mutter gehörte zum Schönstatt-Mütterbund. Maria Lohaus erinnert sich, dass sie mit elf Jahren bei den Frauen von Schönstatt in Schönstatt, dem Gründungsort der Bewegung in Vallendar bei Koblenz, Urlaub machen konnte: Allein das war etwas Besonderes, weil meine Eltern nicht über viel Geld verfügten. Sie habe sich durch die Gemeinschaft vor allem so wie ich bin angenommen gefühlt. Bis heute engagiert sich Maria Lohaus in der Bewegung, sowohl in ihrer Pfarrgemeinde St. Maximilian Kolbe als auch auf Diözesanebene.
"Ich habe ein anderes Bild gewonnen"
Wie geht sie mit den Vorwürfen gegen eine ihr Leben prägende Gestalt wie Pater Kentenich um? Ich habe in den Jahren meines Engagements, meiner Beschäftigung mit Schönstatt und den Grundlagen ein anderes Bild gewonnen, unterstreicht Maria Lohaus. Aus dem Werk und Vermächtnis von Pater Kentenich spreche vor allem eines: Der Gedanke, dass der Mensch frei in Verbundenheit mit Jesus Christus lebt und alles vor seinem eigenen Gewissen verantworten muss. Diese Vision sei von Pater Kentenich ausgegangen, als die kirchliche Hierarchie noch auf uneingeschränkte Autorität gesetzt habe vor dem II. Vatikanum.
Das passt nicht zum Vorwurf des Machtmissbrauchs, betont Maria Lohaus.
Sie führt noch ein zweites Prinzip ihrer Gemeinschaft an, die Selbsterziehung. Das meint, ich gebe mir selbst am Ende des Tages Rechenschaft über meinen persönlichen Vorsatz, erläutert Maria Lohaus. Die Debatte um Manipulation und möglichen Machtmissbrauch zeigt ihr, dass Pater Kentenich falsch verstanden werde: Ich verstehe ihn anders.
Keine Angst vor der Wahrheit
Aber: Ich habe keine Angst vor der Wahrheit. Natürlich müssen alle Quellen, alle Dokumente offengelegt werden. Die Entscheidung des Bistums Trier angesichts des seit 1975 laufenden Seligsprechungsprozesses eine zweite historische Kommission einzusetzen, sei richtig. Auch das Internationale Schönstatt-Werk sehe sie in der Pflicht, umfassend zu informieren.
Dazu zählt für Maria Lohaus auch, die Grundpfeiler und Elemente der Schönstatt-Spiritualität zu verdeutlichen. Dazu gehören beispielsweise das Liebesbündnis mit Maria und das Vaterprinzip. Vor allem das Vaterprinzip ist nicht als Unterwerfung oder Möglichkeit zur Manipulation zu verstehen, sondern als Hinführung zu Gott: Pater Kentenich war überzeugt, dass Gott durch uns Menschen wirkt.
Um zu Gott, dem barmherzigen Vater zu finden, habe Kentenich eine ermutigende Vaterfigur vorgelebt. Das kann nur aus der damaligen Zeit verstanden werden: Die Väter waren im Krieg geblieben, in Gefangenschaft oder viele traumatisiert. Das Vaterprinzip der Schönstatt-Bewegung ist im Verständnis von Maria Lohaus keine Aufforderung zum Gehorsam, sondern Teil der Familienhaftigkeit und bietet Hilfe und Heilung. Auch daher sagt sie: Mein Bild von Pater Kentenich ist ein anderes. Und das Bild im Wohnzimmer bleibt hängen.
Rüdiger Wala