Es muss nicht Santiago sein
Erster Frauenpilgertag des Bistums: "Brecht auf ohne Landkarte"
Es gibt kein schlechtes Wetter zum Pilgern, sagt Antonia Rodriguez Castro. Die gebürtige Spanierin muss es wissen, schließlich ist sie schon auf dem Jakobsweg von Logroño nach Santiago de Compostela gepilgert. Nach dieser Leistung ist die Strecke von Haste über Idensen nach Wunstorf keine Herausforderung mehr, könnte man denken. Doch Pilgern hat ein Suchtpotenzial, weiß Antonia Rodriguez Castro. Deswegen hat sie sich heute trotz hartnäckigen Regens auf den Weg gemacht, gemeinsam mit rund sechzig Frauen aus der Katholischen Kirche in der Region Hannover. Gleichzeitig sind an diesem Samstag im ganzen Bistum Hildesheim Frauen in ihren Regionen unterwegs beim ersten Frauenpilgertag des Bistums.
Eine Zeit lang boomten vor allem Santiago de Compostela und andere große Pilgerziele des Christentums, beobachtet Pastoralreferentin Ewa Karolczak. Aber derzeit werden auch die regionalen Pilgerwege wiederentdeckt. Die Theologin hat den Frauenpilgertag in der Region Hannover zusammen mit ihrer Kollegin Maria Grieß vorbereitet. Angelika Trzanowski aus Letter kommt der Trend zum Pilgern vor der Haustür entgegen: Ich bin nicht trainiert und die klassischen Pilgerwege sind mir zu weit weg, sagt sie. Es hat sie gereizt, etwas mit anderen Frauen zu unternehmen, und die Strecke von 13 Kilometern scheint ihr genau richtig für den Einstieg. Auch Claudia Spatz und Dunja Lipinski sind aus Neugier gekommen. Wallfahrten haben die beiden Mittvierzigerinnen bisher eher mit der älteren Generation und mit Süddeutschland in Verbindung gebracht.
Doch auch Idensen, erfahren sie, hat eine lange Pilgertradition. Mit dem Sigwardsweg, dem die Pilgerinnen eine Weile folgen, wurde diese Tradition wiederbelebt. Die erste Wegstrecke steht im Zeichen des Kennenlernens: Jede Teilnehmerin soll mit möglichst vielen unbekannten Mitpilgerinnen ins Gespräch kommen. Später wird über den eigenen Glauben diskutiert und ein Stück schweigend gewandert. Maria Grieß gibt den Pilgerinnen einige Sätze der französischen Schriftstellerin und Sozialarbeiterin Madeleine Delbrêl (1904-1964)mit auf den Weg: Brecht auf ohne Landkarte und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist. Mal gucken, sagt Angelika Trzanowski augenzwinkernd, was von oben kommt.
Annedore Beelte