Für den Schutz der Ungeborenen
Gebetstag in der Basilika St. Clemens
Keine Anklage, aber das Gebet und die Bitte um Unterstützung und Hilfe: Gebetstag zum Schutz des ungeborenen Lebens in der Basilika St. Clemens in Hannover.
Eines will Ralf Bösemann gleich zum Beginn des Gebetstages zum Schutz des ungeborenen Lebens verdeutlichen: „Das ist keine politische Aktion“, sagt er zu dem von Gebetsgruppen und Schutzvereinen aus Hannover und Hildesheim initiierten Gottesdienst: „Schon gar nicht geht es darum, jemanden zu verurteilen.“ Es gehe um ein Gebet für das Leben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Eingeladen haben die „ErbenGottes“ und die „Gruppe Madonna di Guadalupe“ der italienischen Mission als Gebetsgemeinschaften aus Hannover sowie der Gebetskreis „Quelle des Friedens“ aus Hildesheim. Ebenfalls beteiligt ist der Hannoversche Verein „Aktion Schutz für ungeborene Menschen“ (ASUM). An diesem Gebetstag, der zum zweiten Mal ausgetragen wird, feiern sie zusammen mit dem hannoverschen Propst und Regionaldechanten Christian Wirz die Heilige Messe, setzen das Allerheiligste aus, halten Fürbitte und beten den Rosenkranz während der eucharistischen Anbetung. Parallel hat die Gruppe ASUM am Kröpcke in der Fußgängerzone der Innenstadt von Hannover einen Infostand aufgebaut.
Gerade erst hat der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit den Paragrafen 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Er regelte bisher das Verbot, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Zugleich führte er aber dazu, dass Ärzt*innen keine ausführlichen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich anbieten können, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.
Es ist ein Thema, dass die Initiator*innen und Besucher*innen bewegt: „Wir sind traurig und sehr betroffen darüber, dass es in unserem Land nun erlaubt ist, für die Tötung menschlichen Lebens zu werben“, sagt Robert Stärkel von der Gruppe ErbenGottes: „Wir fürchten zudem, dass weitere Schritte folgen werden, die mit der Menschenwürde des ungeborenen Lebens sowie mit dem Gebot des Lebensschutzes, abgeleitet aus dem 5. Gebot, Du sollst nicht töten, unvereinbar sind."
Aber wird nicht mit einem solchen Gebetstag, möglicherweise auch unbeabsichtigt, eine Anklage gegenüber Frauen erhoben, die abgetrieben haben? Stärkel verneint das: „Wir klagen niemanden persönlich an, insbesondere nicht betroffene Frauen.“ Aber eine seiner Ansicht nach falsche Haltung muss auch bei einem Gebetstag benannt werden. Die Gebetsgruppen nehmen sich ein Vorbild an dem Verhalten von Jesus Christus: „Gott verabscheut die Sünde, aber liebt den Sünder.“
Auch Propst Wirz geht in seiner Predigt darauf ein, in dem er sagte: „Ich glaube, dass die Liebe zu dem Kind ganz tief zum Wesen des mütterlichen Herzens gehört. Und deswegen glaube ich auch, dass keine Mutter eigentlich ihr Kind töten will. Wenn sie das tut, wenn sie das will, hat sie irgendetwas Furchtbares dazu getrieben“.
Stärkel ist es wichtig, die vorhandenen gesellschaftlichen, medialen und technisierten Rahmenbedingungen als einen grundsätzlich falschen Weg zu benennen, welche Abtreibungen unterstützen. Das sei eine Entwicklung, die sich dem Wert und Schutz des von Gott jeder Person einzigartig geschenkten Lebens zunehmend entrückt. „Natürlich könne das werdende Leben nicht gegen die Mutter geschützt werden: Frauen müssen selbst entdecken, was ihren Herzen entspricht und konkrete wie praktikable Hilfe erfahren.“ Denn nur zu oft sei es der Druck des Vaters, der Familie oder des Umfeldes, aber auch materielle oder soziale Sorgen, warum sich Frauen für eine Abtreibung entscheiden. „Wir beten für konkrete Hilfe und vermitteln sehr gerne verantwortungsvolle und erfahrene Beratung“, ergänzt Ralf Bösemann.
Doch die veranstaltenden Gruppen verbinden dabei grundsätzliche Kritik an der derzeitigen Entwicklung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland. Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich rechtswidrig. Frauen, die in den ersten zwölf Wochen die Schwangerschaft abbrechen wollen, müssen zwingend davor zu einer anerkannten Beratungsstelle gehen. Nach der Beratung müssen sie eine "Überlegungsfrist" von drei Tagen einhalten. Sind die Voraussetzungen erfüllt, bleibt der Abbruch zwar rechtswidrig, aber straffrei. Darüber hinaus ist der Abbruch rechtmäßig, wenn es dafür bestimmte medizinische Gründe gibt oder das Kind aufgrund einer Vergewaltigung entstanden ist.
„Wir verstehen durchaus, dass die Regelung nicht auf Strafe zu setzen, gut gemeint ist“, sagt Stärkel. Die hohe Zahl an Abtreibungen in Deutschland zeige aber leider, dass der Ansatz, mit Straffreiheit und „Scheinberatung“ Leben zu schützen, vollkommen gescheitert ist. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche lag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2021 bei rund 94.600 offiziell gemeldeten Fällen. „Was ein bereicherndes Bild der Vielfalt – wieviel bunter und lebendiger wäre die Welt mit diesen Kindern“ betont Janusz Bukala von der Gruppe Quelle des Friedens aus.
„Uns geht es nicht darum, über Menschen, die schwierige Entscheidungen treffen müssen, zu urteilen“, machen Antonia Martino und Maria Fernanda Zappa von der italienischen Mission geltend: „Wir dürfen aber nicht zu dem Schluss kommen, dass Abtreibungen eine gute und richtige Entscheidung sind.“ Oftmals haben Frauen sehr lange unter dieser Entscheidung zu leiden, möglicherweise ihr gesamtes Leben. Der dritte Gebetstag zum Schutz für das ungeborene Leben ist bereits in Planung.
Rüdiger Wala