Jungen Flüchtlingen eine Perspektive geben
Junge Flüchtlinge, die alleine nach Deutschland gekommen sind, fühlen sich oftmals überfordert und orientierungslos. Deutschlernen und der Zugang zu Bildung und gesellschaftlicher Teilhabe stellen große Herausforderungen dar. Das bundesweite Projekt JMD2start wird in Hannover von der Caritas getragen und begleitet junge Flüchtlinge.
Im Interview erzählen die beiden Sozialarbeiterinnen Sara Yasar und Jennifer Prüfer, an wen sich das Projekt richtet, wie genau den jungen Flüchtlingen geholfen wird und dass Dankbarkeit manchmal in einer Gesangseinlage münden kann.
Was genau ist <link http: www.jmd-portal.de external-link-new-window externen link in neuem>JMD2start?
Sara Yasar: JMD2start hilft jungen Flüchtlingen zwischen zwölf und 27 Jahren, unabhängig von ihrem aktuellen Aufenthaltsstatus. Es ist ein bundesweites Projekt, welches vom Bundesjugendministerium finanziert wird. Es ist an 24 Standorten in Deutschland vertreten. Wir sind in Niedersachsen aber die Einzigen.
Wie genau funktioniert diese Hilfe? Was macht den Alltag im Projekt aus?
Jennifer Prüfer: Der Alltag wird von den zahlreichen und umfassenden Beratungsanfragen junger Flüchtlinge bestimmt. Wir sind ein Offenes Haus und so bieten wir den jungen Menschen die Möglichkeit, spontan mit ihren Anliegen zu uns zu kommen.
Sara Yasar: Ein Schwerpunkt liegt auf dem Deutsch- und Orientierungskurs, der hat im November mit zwei Ehrenamtlichen begonnen, mittlerweile sind es drei. Er findet zweimal in der Woche statt. Es nehmen ungefähr zehn Flüchtlinge am Deutschkurs teil. Die jungen Flüchtlinge sollen sich in der Gruppe wohlfühlen, gemeinsam Hannover als ihre neue Heimat kennenlernen und über die Nationalitätsgrenzen hinaus ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Die Jugendlichen werden von uns intensiv begleitet. Es geht hier nicht nur um den grundlegenden Spracherwerb, sondern auch um alle anderen Probleme, die sie mitbringen: Aufenthaltserlaubnis, Wohnungssuche, Familiennachzug, gesundheitliche Schwierigkeiten, Wechsel des Wohnortes. Der Deutsch- und Orientierungskurs wird von Ehrenamtlichen übernommen und wir machen die sozialpädagogische Begleitung der Flüchtlinge und die Koordination der Ehrenamtlichen.
Jennifer Prüfer: Ansonsten haben wir noch den pädagogischen Mittagstisch in Lehrte im Jugendtreff JuNo (Jugendhaus Nord). Dort wird zusammen gekocht und gegessen. Ich führe vor Ort die Beratungen durch.
Was wollen Sie den jungen Flüchtlingen mitgeben, die zu Ihnen kommen?
Jennifer Prüfer: Das oberste Ziel für mich ist, dass sie hier ankommen, dass sie Vertrauen zu uns finden. Erst dann können sie uns richtig von ihren Problemen erzählen. Und daran kann man dann ansetzen und schauen, wo man ihnen helfen kann.
Sara Yasar: Ja das stimmt. Eine Vertrauensbasis zu schaffen ist wichtig. Doch das ist nicht immer ganz einfach: sich zu öffnen und seine Geschichte zu erzählen. Diese Menschen haben viel erlebt. Oft gibt es auch sprachliche Barrieren. Wir haben aber mittlerweile ehrenamtliche Dolmetscher. Meist kommen wir mit Englisch ganz gut klar. Wir wollen die Jugendlichen hier willkommen heißen und ihnen Möglichkeiten aufzeigen. JMD2start hat den Schwerpunkt, den Flüchtlingen vor allem zu Bildung zu verhelfen und berufliche Perspektiven zu vermitteln. Sprache ist der andere Schwerpunkt. Ich sage das in jeder Beratung: Sprache ist der Schlüssel zu allem.
Auf was für Herausforderungen treffen Sie in Ihrem Alltag?
Jennifer Prüfer: Schulanmeldungen sind für mich gerade so eine Sache. Das ist ganz schwierig. Das Problem ist, wenn die Jugendlichen vom Alter nicht mehr vollzeitschulpflichtig sind, dann ist es ganz schwer, sie noch in Schulen unterzubringen. Es gibt wenige Schulplätze für junge Flüchtlinge und die meisten Schulen sind voll. Dann werden sie immer zu der nächsten Schule weitergeschoben.
Sara Yasar: Es ist diese zum Teil abweisende Haltung. Den jungen Menschen werden - auch durch Unwissenheit - Steine in den Weg gelegt. Viele Barrieren müssen übersprungen werden, gerade was Ämter und Behörden angeht. Oft fehlen den Geflüchteten sämtliche Dokumente und die sich daraus ergebenden Probleme mit Behörden, Banken, der Kindergeldkasse usw. werden von den zuständigen Stellen oft zum Anlass genommen, untätig zu bleiben. Hier vermitteln wir. Regulär dürfen Flüchtlinge jetzt nach 3 Monaten anfangen zu arbeiten, in der Realität sieht das anders aus. Vor allem für studierte Flüchtlinge und Akademiker ist es oft nicht möglich, in dem Bereich weiterarbeiten zu können, in dem sie davor gearbeitet haben. Hierzu bekommen sie von uns die wichtigsten Infos, was zu tun ist.
Was motiviert Sie bei Ihrer Arbeit?
Jennifer Prüfer: Mich motiviert es, wenn ein Klient immer wieder kommt und dann auch private Sachen von sich erzählt. Für mich wurde schon einmal von einem gesangsbegeisterten Klienten gesungen. Das ist natürlich besonders toll, wenn Menschen ihre Begeisterung mit einem Ständchen mit mir teilen. Diese Dankbarkeit, das sind schöne Momente.
Sara Yasar: Ich finde auch, dass die Menschen sehr dankbar sind, selbst für den kleinsten Ratschlag. Da es für die Flüchtlinge in den Unterkünften oft schwer ist, Kontakt zu Deutschen zu knüpfen, freut es mich immer zu hören, dass es Projekte gibt, die die Willkommensbereitschaft in der Bevölkerung organisieren und fördern. Passgenau vermitteln wir die jungen Flüchtlinge in Sport- und Freizeitangebote - dort lernen sie dann auch Einheimische kennen.
Peter Wiezorik