Mit Schlange, Apfel und Augenzwinkern
Ein Fenster als Einblick in die Fastenzeit
Wenn Fasten sichtbar wird und ein Kirchenfenster lebendig: In einer ökumenischen Aktion gestaltet die Gemeinde Heilig Kreuz in Altwarmbüchen ein großes Fenster ihrer Kirche mit Impulsen zur österlichen Bußzeit.
Da ist es, das Fenster zum Paradies. Eva steht mit dem Apfel neben Adam, dazwischen züngelt die Schlange. Die Schöpfung ist gerade geschaffen. Tag und Nacht sind geteilt. Es herrscht Frieden unter den Tieren – unter den Fischen des Meeres, den Vögeln des Himmels und allen Tiere, die sich auf dem Land regen. Noch kein Sündenfall der Menschen, der die Schöpfung bedroht. Ein lebendig wirkendes Kirchenfenster vom Paradies, mitten in Altwarmbüchen, gleich gegenüber vom Supermarkt.
Mitten unter den Menschen – das ist ein geflügeltes Wort in der Kirche. Aber auf Heilig Kreuz in Altwarmbüchen bei Hannover trifft das zu. Donnerstags ist der Wochenmarkt vor der Tür, kleinere Hochhäuser und längere Reihenhauszeilen säumen die Straße und nicht zuletzt die nahen Supermärkte, Apotheken, Imbisse und die Post lassen Menschen direkt an der Kirche vorbeigehen.
„Wir konnten uns bewusst für die Lage entscheiden“, berichtet Josephine Just. Die 70-jährige ehemalige kaufmännische Angestellte engagiert sich seit vielen Jahren in Heilig Kreuz. 2015 wurde die alte, im Jahr 1971 geweihte Kirche profaniert und machte einem Verbrauchermarkt Platz. Bistum und Kirchengemeinde tauschten mit der Stadt ein gegenüberliegendes Grundstück und zwei Jahre später konnte die neue Kirche geweiht werden.
Das war nicht nur der erste Kirchenneubau seit zwei Jahrzehnten im Bistum Hildesheim, sondern auch ein für ein Gotteshaus völlig neues Konzept: Kirche und Pfarrheim in einem; mit Schiebewänden können Teile des Kirchenschiffs für Veranstaltungen abgetrennt werden. Die Kirche ist von außen gedacht – große Fensterfronten zum Ortszentrum hin sollen Offenheit signalisieren. Diese Fensterfronten werden nun zum „lebendigen Kirchenfenster“.
Offenheit kann zur Einsicht werden
Denn diese Offenheit kann zur Einsicht werden: „Wir haben nun einmal die tolle Lage mitten im Ort“, unterstreicht Josephine Just. Da braucht es in Corona-Zeiten zum Stoppen einladende Ideen für die „Laufkundschaft“ vor der Kirche. Im letzten Advent war es eine wachsende Krippe: „Wir haben immer eine Krippenfigur dazu gestellt, bis zu den Heiligen Drei Königen.“
Immer wieder blieben Familien und Passanten stehen, um zu schauen, was sich verändert hat. Die Krippenfiguren stammen aus der benachbarten evangelischen Christophorus-Gemeinde, mit der seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet wird. Vor allem Kinder hatte die „Fenstergruppe“ um Josephine Just vor Augen. Kein Nikolaus, kein lebendiger Adventskalender – da musste was gemacht werden.
„Doch jetzt ist immer noch Corona und immer noch haben wir nichts für Kinder“, sagt Josephine Just. Deshalb wieder ein sich Woche für Woche veränderndes Fenster: „Zur Fastenzeit, etwas, was viele anspricht und nicht so was Banales wie Verzicht auf Süßigkeiten.“ Daher wurde der in beiden Gemeinden verbreitete Gedanke des Klimafastens aufgegriffen.
Mal farbenfroh mit Luftschlangen und Kostümen, mal schlicht mit Asche, mal kunterbunt mit Stofftieren geht es nun um das Bewahren der Schöpfung, um das Paradies. Aber immer mit einer Botschaft, knapp gefasst auf zwei Plakaten neben dem Fenster. Leitgedanke: „Verantwortung für die Welt, in der wir leben.“ Immer mit Augenzwinkern.
„Wir möchten ja auch die Menschen ansprechen, die hier nie halten würden, eben weil es eine Kirche ist“, ergänzt Dunja Martin. Die 55-jährige Juristin gehört zum kleinen Team, das die Fenster gestaltet. Wenn man Gedanken und Werte gewissermaßen mit auf den weiteren Weg geben möchte, braucht es was zum Hingucken, zum Entdecken und auch etwas Humor. „Das darf schon glänzen und die Freude ausstrahlen, die wir selbst bei der Gestaltung der Fenster gehabt haben“, sagt Dunja Martin.
Paradies – nur mit Apfel
Donnerstags wechselt das Fenster. Draußen wird eine kleine Andacht gefeiert. Kurz, mit einigen Gedanken zum Thema, einem Gebet. Zum Beispiel, was Karneval mit Fasten zu tun hat oder Buchsbaum mit Asche. Oder, wie jetzt, das biblische Paradies mit Klimaschutz. Wegzehrung gibt es auch. Beim Paradies kann das natürlich nur ein Apfel sein.
Bei der Gestaltung der Fenster behilft sich das Team mit dem, was da ist oder organisiert werden kann. „Bei Stofftieren brauchten wir nur einmal aufzurufen“, berichtet Josephine Just. Reichlich kamen zusammen. Das ist gut so, denn das nächste Thema beim lebendigen Kirchenfenster ist die Arche Noah: „Da brauchen wir ja zwei jeder Art ...“
Normalerweise werden die Krippenfiguren für jede Szene anders angezogen. Beim Paradies ist das etwas anders. Schließlich tragen Adam und Eva lediglich Feigenblätter. Gefertigt hat sie Inkje Hamann. Die 35-jährige Kinderpflegerin gehört zur evangelischen Christophorus-Gemeinde und schätzt die Zusammenarbeit: „Das Gestalten dieser Fenster ist wirklich eine Freude. Wir brauchen etwas Farbenfrohes in diesen Zeiten.“ Auch gerade an diesem Platz, wo viele Menschen erreicht werden können.
Zum farbenfrohen Paradies gehören auch Blumen. Einige sind aus Papier und haben doch einige Kilometer hinter sich gebracht: „Meine Tochter lebt in Hameln und meine Enkelin hat einige gebastelt“, erzählt Josephine Just. Da konnte sie als Oma dann Fotos schicken, wie die Blumen hängen. So geht auch ein Paradies auf Reisen.
- Zum Anschauen: Kirche Heilig Kreuz, Königsberger Str. 2A, 30916 Isernhagen. Der Wechsel der Fenster ist donnerstags (Andacht um 17 Uhr). Weitere Infos gibt es hier: Fastenfenster in Heilig Kreuz
Rüdiger Wala