Mittendrin – und doch ganz woanders
Der Garten des Sonnengesangs in St. Antonius in Hannover-Kleefeld
August in der Stadt. Temperaturen steigen wieder. Es wird drückend. Die Hektik steigt – und die Sehnsucht nach einem Ort mit Ruhe. Ein solcher Zufluchtsort ist der Garten des Sonnengesangs von St. Antonius in Hannover. Mitten im Stadtteil Kleefeld. Mit Straßenbahnanschluss. Aber gefühlt ganz woanders.
Der Sonnengesang des heiligen Franziskus: Ein Gebet, das die Schöpfung preist und den Schöpfer lobt. Lyrik, die Selbstverständliches und Alltägliches des Tagesablaufs und der Natur in hymnische Worte fasst. Um 1224 schreibt der Heilige den Sonnengesang. Nicht in einem Rutsch, zwei Strophen fügt er im Laufe der Zeit hinzu – auch um persönliche Erlebnisse zu verarbeiten. Verse, die zur Weltliteratur gehören – und im Garten des Sonnengesangs in St. Antonius mit allen Sinnen erfasst werden können.
Der Garten hinter der ehemaligen Klosterkirche ist nicht nur eine Hinterlassenschaft des Franziskanerordens. Der Grundstein zu Kirche und Kloster St. Antonius wurde 1927 gelegt, ein Jahr später erfolgte die Weihe. Das Kloster war zeitweilig Sitz des Provinzialats gleich mehrerer Provinzen des Franziskanerordens. Doch 2010 endete die Geschichte der Franziskaner in St. Antonius. Doch ihr Vermächtnis bleibt.
2009 wurde mit der Anlage des Gartens des Sonnengesangs begonnen, zwei Jahre später wurde er eröffnet – und immer wieder neu gestaltet. Ein Garten. Organisch. Kein Museum in Stein. Sieben Stationen umfasst er in Anlehnung an die Strophen des Gesangs, dazu kommen Stationen, die der Spiritualität von Franziskus und dem von ihm gegründeten Orden der minderen Brüder entsprechen: ein Gruß an die Gottesmutter Maria, die Gemeindewiese zur Begegnung und ein überdachter Platz zum Ausruhen, an dem es von Zeit zu Zeit auch etwas zu lesen gibt.
Aber der Reihe nach: Der erste Impuls lobt Bruder Sonne und Schwester Mond. Moment, muss es sich grammatikalisch andersherum sein? Die Sonne, der Mond? Georg Wippler, ein Mitglied des Gartenteams, klärt auf: „Im Italienischen ist die Sonne von der Grammatik her männlich, der Mond weiblich.“ Insofern ist die Übersetzung richtig, auch wenn sie für deutsche Ohren falsch klingt. Aber noch ein Zweites fällt an der Station auf. Ein neuer Aufkleber mit einem sogenannten QR-Code, der es möglich macht, eine Internetseite mit der Kamera des Mobiltelefons zu öffnen. Das führt zu einem neuen Angebot des Gartenteams: Zu jeder Station gibt es einen Meditationsfilm.
Mehrere Sprecher*innen tragen die entsprechende Strophe des Sonnengesangs vor, schildern dazu eine Passage aus dem Leben des heiligen Franziskus. Schließlich werden Fragen und Impulse zum Nachdenken und Besinnen gestellt und gegeben. So wird der Sonnengesang wirklich mit allen Sinnen erfahrbar. Nicht nur mit den Augen oder der Nase. Und mit Nachhall. Nur durch wenige Klicks auf dem Mobiltelefon.
Es steckt viel Arbeit im Garten. Die Pflege übernimmt ein ganzes Team, zu dem auch Angela Wippler gehört. Gibt es für sie einen besonderen Lieblingsort? Angela Wippler zeigt auf ein Schild an der Abschlussmauer des Gartens. „Pace e Bene“ ist dort zu lesen, Friede und Gutes, ist zu lesen. Ein besonderes Anliegen im Franziskanerorden, mehr als nur drei Worte. Sie haben eine besondere Geschichte, denn diese Strophe des Sonnengesangs hat Franziskus der Überlieferung nach erst später zugefügt – nach dem er, schon auf dem Krankenlager, einen Streit zwischen dem Bischof und dem Bürgermeister von Assisi geschlichtet hat. „Dieser Ort drückt Frieden, drückt die Hoffnung aus, gut zu sich selbst und zu anderen zu sein“, sagt Angela Wippler: „Das ist einfach schön."
Für Gudrun Wirth ist es der Ort, der die Strophe um Mutter Erde symbolisiert, die nährt und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt. „Wir bepflanzen hier regelmäßig eine Kräuterschnecke“, erläutert Gudrun Wirth. Für sie ist Erde ein bodenständiges Element: „Und es duftet so gut.“ Wieder werden alle Sinne angesprochen.
Margarete Salge hat es Bruder Sonne angetan: „Das strahlt angenehme Wärme und Ruhe aus, die man spüren kann.“ Georg Wippler hält sich gern am kleinen Wasserspiel im Garten auf: „Wasser ist wechselndes Element, mal still, mal sprudelnd.“ Franziskus bezeichnet in seinem Sonnengesang das Wasser als „demütig und kostbar“. Für Wippler ist das eine „sehr berührende Beschreibung“.
Das Gartenteam, zu dem noch die Ehepaare Klemens und Maas gehören, hat aber auch zu ernten. In einem Jahr kamen schon mal 75 Kilo Äpfel zusammen. Sie wurden für einen guten Zweck vielfältig verarbeitet. Die Mutter Erde, die nährt. Zeit, wieder zum Anfang zurückzukehren.
Eines noch“, sagen die Teammitglieder: „Hören Sie mal.“ Zu hören ist: nichts. Und das obwohl nur weniger Meter entfernt, aber auch auf der anderen Seite der Kirche die Straßenbahn entlang dengelt. Nicht mal sie ist zu hören. Ein Zufluchtsort. Gefühlt ganz woanders als mitten in der Stadt.
- Infos: Der Garten des Sonnengesangs befindet sich hinter der Kirche St. Antonius, Kirchröder Straße 12a, 30625 Hannover.
Öffnungszeiten: Mo bis Fr (April bis Oktober): 16 bis 18 Uhr / November bis März 16 bis 17 Uhr Sa/So Feiertag 10 bis 18 Uhr. Der Garten ist wochentags nur nachmittags geöffnet, da sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Spielgarten der zur Gemeinde gehörenden Kita befindet.
Führungen sind auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. Anfragen an das Pfarrbüro unter Telefon: (0511) 9559918 oder E-Mail: info(ät)kirche-mit-herz.de Informationen im Internet: www.kirche-mit-herz/garten-des-sonnengesangs,
Rüdiger Wala