Neuer Altar und Traditionelles im zeitgemäßen Gewand
Kirche St. Joseph in Hannover-List mit Festmesse wieder eröffnet
Es ist eine Weihe, die mittlerweile selten im Bistum Hildesheim gefeiert wird – die Weihe eines neuen Altars. Ein gutes Jahr lang wurde die Kirche St. Joseph in Hannover-List saniert. Von Grund auf. Mit einer bewussten Entscheidung für einen neuen Tisch des Herrn, um den sich die Gemeinde versammelt.
Zu Beginn der Festmesse zur Wiedereröffnung von St. Joseph mit der Weihe des Altares bekennt Bischof Heiner Wilmer: „Das ist auch für mich eine Premiere, ich bin sehr aufgeregt.“ Über zwei Stunden dauert der Gottesdienst. Nicht nur der Altar wird geweiht. Am Anfang steht die Segnung des neuen Taufbrunnens. Beherzt schüttet Wilmer Wasser aus einem Krug in die Taufschale. Als Zeichen dafür, dass der Glauben mit der Taufe beginnt. Die Gemeinde erneuert ihr Taufbekenntnis, mit Taufwasser segnend geht Wilmer durch das Kirchenschiff.
Nach den Menschen der Ambo, das Pult von dem aus das Wort Gottes verlesen wird. Gefertigt ist es aus einer Sandsteinplatte und Metall, Materialien, die sich auch beim Altar finden lassen. Wiederum wird es gesegnet, wiederum ist es ein Zeichen. Denn es ist das Wort, die Auslegung der Schrift und die Gleichnisse, mit denen sich Jesus zunächst an die Menschen gewandt hat. So wird dann, noch vor der Weihe des Altars, aus der Heiligen Schrift gelesen.
Schließlich wird der Altar geweiht. Wieder mit Weihwasser besprengt, wird er von Wilmer großflächig mit Chrisam-Öl eingerieben. Der bisher einfache Sandstein wird so zum Symbol Christi. „Christus“ bedeutet auf Deutsch „der Gesalbte“. Auch bei einer Taufe wird jeder Mensch mit Chrisam gesalbt. Bewusst mit diesem kostbaren Öl als Ausdruck der von Gott geschenkten Würde.
Grund- und Eckstein der Kirche
Dem Öl folgen Flammen, der dritte Schritt der Weihe. An fünf mit Kreuzen markierten Stellen wird Weihrauch verteilt und verbrannt. Die Kreuze sind eine Erinnerung an die fünf Wunden, die Jesus unter dem Kreuz zugefügt wurden, der brennende Weihrauch ist ein Bild dafür, dass die Gebete der um den Altar, den in der katholischen Tradition Grund- und Eckstein der Kirche, versammelten Gemeinde, zu Gott aufsteigen sollen.
Noch während der Weihrauch brennt, versammeln sich Wilmer, Pfarrer Heiner Plochg von St. Joseph und Propst Wolfgang Semmet als Regionaldechant der Katholischen Kirche in der Region Hannover zusammen mit den Messdiener*innen um den Altar – zum Weihegebet. Es ist in der Anrufung der Heiligen, die Bitte um Gottes Segen. Die Flammen werden im Anschluss gelöscht, die bisher dunkle Altarinsel hell erleuchtet, das Altartuch aufgelegt, die Metallleuchter aufgebaut und die Kerzen als Zeichen für Christus, das Licht der Welt, entzündet. Das erste Mahl wird gefeiert.
Für Wilmer ist die Weihe eines Altars der „Ausdruck von Sehnsucht, sich mit Gott zu vereinen, Licht zu bringen in die dunklen Seiten unserer Seele“. Wenn der Altar sprechen könnte, würde er daran erinnern, nicht den eigenen Ursprung zu vergessen: „Gott hat uns ins Leben entlassen, mit der Möglichkeit zu gestalten, denn wir sind sein Ebenbild.“ Träume dürfen gelebt werden. Der Altar würde auch davon erzählen, dass Kirchen benötigt werden: „Wir brauchen starke Mauern, weil unsere Tränen Schutz brauchen“, predigt Wilmer. Denn Gotteshäuser seien der einzige Ort, wo Menschen öffentlich weinen dürfen, wo mit Kummer und Trauer sorgsam umgegangen wird.
Altar mehr ins Zentrum der Kirche gerückt
Der neue Altar steht im Mittelpunkt einer grundlegenden Renovierung der Kirche. „Unser Grundgedanke war, ihm mehr ins Zentrum unserer Kirche zu rücken“, erläutert Thea Heusler, die Vorsitzende des Pastoralrates. Die Folge: „Der alte Altar erschien uns zu groß.“ Daher ein neuer, kleinerer Altar aus Sandsteinplatten, der auch einen neuen Platz in der Kirche gefunden hat. Bankreihen wurden verkürzt, um den Altar links und rechts zu flankieren – damit sich die Gottesdienstgemeinde wirklich um ihn herum versammeln kann, beschreibt Thea Heusler
Ausgangspunkt für die Sanierung war, dass die 1912 gebaute neugotische Kirche in die Jahre gekommen ist: „Wir hatten Risse im Gemäuer festgestellt, die Elektrik war ziemlich marode“, erläutert Dr. Paul Sander, pastoraler Mitarbeiter von St. Joseph. Daher wurde zum einen grundlegend renoviert: Kilometerlange neue Kabel, anderes Licht, frische Farbe, auch die Statik der Kirche musste verfestigt werden.
Sanierung bedeutet aber mehr als Kabel, Farbe und Bauschaum: „Wir haben uns gefragt, was für uns wichtig ist, was zur Kirche gehört und was wir neu bedenken müssen“, sagt Thea Heusler. Ein Beispiel: Vier Bildtafeln, die ursprünglich zu dem aus den Anfangsjahren stammenden Hauptaltar gehörten, würden künstlerisch aufgearbeitet, um sie neu darstellen zu können – gut beleuchtet unter Spitzbögen im hinteren Teil der Kirche, die insgesamt durch Licht und Farbe deutlich heller geworden ist. Dabei wurde auch die Figur eines fehlenden Apostels neu geschnitzt und ergänzt. Altes, Traditionelles in neuem, zeitgemäßem Gewand – diese Leitlinie zieht sich durch die Sanierung.
Neue Buntglasfenster und alte Fresken
Paul Sander verweist auf zwei neue zwei Buntglasfenster der Künstlerin Lea Dievenow. Sie ersetzen links und rechts des Altars bisher eher schmucklose Rosettenfenster. In kräftigen Farben und Formen thematisieren sie Geburt und Tod, Auferstehung und Himmelfahrt.
„Wir haben unter der Farbe noch alte Fresken gefunden“, berichtet Paul Sander weiter: „Das war eine echte Überraschung.“ Eine dieser Fresken ist sogar vollständig erhalten und nun freigelegt. „Wir denken darüber nach, die Malerei wieder zu restaurieren.“
Für Thea Heusler gibt es noch eine weitere Besonderheit, die man allerdings nur bei beleuchteter Kirche entdecken kann: „Wenn das große Kreuz mit dem Korpus von Jesus angestrahlt ist, wirkt es so, dass man links und rechts zwei weitere Kreuz im Profil sehen kann.“ Nicht beabsichtigt, aber beeindruckend. Oder: Traditionelles im neuen Gewand.
Rüdiger Wala