Offen zur Schuld bekennen
Allzu lange ist in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden: Mit deutlichen Worten hat Kardinal Reinhard Marx in Fulda die Missbrauchsstudie der deutschen Bischofskonferenz vorgestellt. Und weiter: Für dieses Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung
Die Untersuchung, die die katholischen Bischöfe in Auftrag gaben, umfasst die Jahre 1946 bis 2014. Alle 27 Bistümer nahmen für unterschiedliche Zeiträume an der Studie teil, einige Bistümer wurden vertieft für die gesamte Phase untersucht. In den kirchlichen Akten fand das Forscherteam Hinweise auf 3.677 Betroffene sexueller bergriffe und auf rund 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute.
Mindestens 153 Menschen sind in den vergangenen Jahrzehnten im Bistum Hildesheim von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen. Beschuldigt sind 46 Priester. Im Zuge dieser sogenannten MHG-Studie wurden im Bistum Hildesheim 848 Personalakten von Priestern durchgesehen. Das prozentuale Verhältnis von beschuldigten Geistlichen zu den durchgesehenen Personalakten liegt bei 5,4 Prozent.
Der überwiegende Teil der Taten ereignete sich in den 1960er- und 1970er-Jahren. Von den 153 Betroffenen sind 101 Personen männlich, 16 weiblich. Bei 36 Betroffenen geht aus den Unterlagen nicht hervor, welches Geschlecht sie haben. Von den 46 beschuldigten Priestern sind 36 verstorben. Die 10 noch lebenden Geistlichen wurden zur Rechenschaft gezogen. Acht von ihnen sind nicht mehr im aktiven Dienst. Den zwei noch aktiven Priestern wurde kein sexueller Missbrauch zur Last gelegt, sondern grenzüberschreitendes Verhalten. Beide haben intensive Sensibilisierungsmaßnahmen und Auflagen erhalten.
Männer Gottes haben das Böse in die Welt gebracht, betont betont der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer in einer Videobotschaft: Wir dienen unserer Kirche nicht, wenn wir die schrecklichen Verbrechen kleinreden und beiseite schieben, für die wir die Verantwortung zu tragen haben. Wir dienen ihr nur, wenn wir uns klar und offen zu der Schuld bekennen, die auf uns lastet. Denn nur mit der Wahrheit und sei sie noch so bitter können wir in die Zukunft schauen.
Zu den Ergebnissen der Studie und zum Umgang des Bistums Hildesheim mit sexualisierter Gewalt erklärt der Hannoversche Propst Martin Tenge: "Ich danke unserem Bischof für seine Stellungnahme und seine darin klar formulierten Worte. Den Druck, den Gesellschaft und der ffentlichkeit auf die Kirche ausüben, müssen wir als legitim anerkennen und daraus in tiefer Demut lernen. Wir müssen als Kirche insgesamt akzeptieren, dass wir nicht mehr die vermeintlichen "Herren des Verfahrens" und der Kommunikation sind. Nur in der eigenen Erfahrung, nicht mehr kontrollieren zu können und damit Macht zu verlieren, können wir ansatzweise nachfühlen, was es für Opfer bedeuten muss, im Rahmen von Taten die eigene Kontrolle zu verlieren und der fremdbestimmenden Macht der Kirchen-Männer ausgeliefert zu sein. Der ernst gemeinten Bitte unseres Bischofs um Verzeihung gegenüber den Opfern und allen Betroffenen, der ich mich zutiefst anschließe, müssen Änderungen in der Haltung und in der Praxis folgen. Das Vertrauen in die Kirche, die immer den hohen Anspruch einer moralischen Wertegemeinschaft postuliert hat, ist zutiefst und auf Dauer zerstört. Wir können nur durch eine erneuerte alltägliche Praxis und eine hohe Sensibilität für die Menschen die Voraussetzung schaffen, einen kleinen Teil davon zurückgewinnen. Aber wir müssen auch akzeptieren, wenn Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche uns dies nicht zubilligen."
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<link https: dbk.de fileadmin redaktion diverse_downloads dossiers_2018 mhg-studie-gesamt.pdf external-link-new-window externen link in neuem>Hier finden Sie die MHG-Studie im Wortlaut
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Rüdiger Wala