Rückkehrer und Menschen, die Deutschland verlassen wollen
Hannover spricht zu Recht über die vielen neuen Flüchtlinge, die unsere Hilfe brauchen. Niemand spricht über die Menschen, die zurückkehren wollen oder die aus- und weiterwandern möchten. Brauchen Menschen, die Deutschland verlassen wollen, auch Unterstützung? Das Raphaelswerk, Fachverband der Caritas, gibt Antworten.
2013 sind laut Angaben des Statistischen Bundesamtes 1.225.496 Menschen nach Deutschland zugezogen, aber auch 797.886 sind fortgezogen.
Wir haben uns bei Magdalena Kruse und Sabina Hoffmann vom Raphaelswerk Hannover erkundigt, wie die Beratung von Menschen, die Deutschland verlassen müssen oder auch wollen, aussieht.
Die Menschen sind mobil geworden: Jobangebot in Dubai, Entsendung nach China, Heirat im Libanon, Familienzusammenführung mit Ehegatten aus Brasilien, Work und Travel in Australien, Studium in Kanada und Rückkehr nach Deutschland nach einem langjährigen Auslandsaufenthalt, erzählt Magdalena Kruse.
Ebenso sorgen Kriege, Unruhen, instabile politische oder wirtschaftliche Systeme, Armut, Arbeitslosigkeit oder Perspektivlosigkeit dafür, dass Menschen sich auf den Weg machen in der Hoffnung auf ein sicheres und besseres Leben. Auch viele Flüchtlinge haben sich auf den Weg in ein sicheres Europa gemacht und einige müssen dann feststellen, dass ihr Aufenthalt in Frage gestellt, abgelehnt oder in die Zuständigkeit eines anderen europäischen Landes verwiesen wird, sagt Kruse. Manche stellen auch fest, dass sich ihre Vorstellungen nicht so verwirklichen ließen, wie sie es sich gedacht hatten. Und so müssen sich einige plötzlich mit dem Thema einer Rückkehr ins Heimatland auseinandersetzen.
Migration, Ausreise und Rückkehr nur mit Plan B
Das <link http: www.raphaelswerk.de external-link-new-window externen link in neuem>Raphaelswerk e.V. ist ein Fachverband im Deutschen Caritasverband und berät bei Auswanderung, Auslandstätigkeit, Weiterwanderung, Rückkehr ins Heimatland und bei binationaler Partnerschaft. Auf das ganze Bundesgebiet sind mehrere Beratungsstellen verteilt, so auch eine in Hannover.
Im Gespräch erzählen die beiden Sozialpädagoginnen Kruse und Hoffmann aus Ihrem Arbeitsalltag und betonen beide: Bei allen Beratungen ist es uns wichtig, darauf hinzuweisen, dass nicht nur eine individuelle Beratung und gut vorbereitete Ausreise für eine gelungene Auswanderung oder Rückkehr sorgt und die Integration erleichtert, sondern dass es gilt, einen Plan B bereitzuhalten. Hilfesuchende müssen sich auch mit einem eventuellen Scheitern Ihres Aufenthaltes in Deutschland, ihrer Auswanderungspläne oder auch mit einer eventuellen Rückkehr in die Heimat auseinandersetzen.
Mit der Zunahme der Flüchtlinge und Asylbewerber habe es auch einen Anstieg der Anfragen beim Raphaelswerk Hannover wegen einer freiwilligen Rückkehr in die Heimat gegeben.
Vielschichtige Ausreisegründe
Die Gründe dafür seien sehr vielschichtig: Zurück zur Frau und den Kindern, die man zurückgelassen hatte und über Jahre nicht sehen konnte, der Tod eines Elternteils, die bernahme der Pflege des verbliebenen Elternteils, Angst um Familienangehörige in Kriegsländern, die Beendigung der Schule, des Studiums in der Heimat, Sehnsucht nach den Freunden, Heimweh, der Wunsch den Lebensabend oder auch das Sterben in der Heimat zu erleben.
Manche Gründe würden aber auch aus dem Aufenthalt in Deutschland resultieren. Die Betroffenen sähen keine Perspektive, die Asylantragstellung zöge sich hin oder es würde nur ein geduldeter Aufenthalt erteilt. Eine fehlende Arbeitserlaubnis für Deutschland, Isolation und Vereinsamung auch wegen mangelnder Sprachkenntnisse, negative Erfahrungen in europäischen Aufnahmeeinrichtungen oder auch ein abgelehntes Asylverfahren und die Angst vor einer drohenden Abschiebung und somit späteren Einreisesperre für Deutschland können Gründe für den Ausreisewunsch sein.
Bei manchen reift diese Entscheidung nach längerem Aufenthalt, bei manchen schon nach zwei bis drei Monaten. Eine kolumbianische Rückkehrerin, sagte uns einmal: ?Ja, ich weiß, in Kolumbien besteht Gefahr für mein Leben, aber hier sterbe ich jeden Tag ein Stückchen mehr.? Heimat, Familie, Nachbarn und Kultur sind nicht zu unterschätzen, meint Magdalena Kruse.
Schwierig würde es auch, wenn Familien für sich keine Perspektive in Deutschland sehen und in Länder zurückkehren wollen oder müssen, in denen gegen Menschenrechte verstoßen wird oder schlechte Lebensbedingungen vorherrschen.
Immer wieder würden Totkranke den Wunsch nach einer Rückkehr äußern, um sich dort von Familienangehörigen zu verabschieden und in der Heimat sterben zu können. Nicht selten erfolge damit auch eine Rückkehr in ein Kriegs- oder Unruheland.
Manchmal sitzen uns auch junge Menschen gegenüber, die mit der Aussicht auf Arbeit nach Deutschland einreisten und nun feststellen müssen, dass sie keine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis erhalten werden, sagt Sabina Hoffmann und spricht dabei auch die große Enttäuschung bei den Hilfesuchenden an.
Tragfähige Entscheidungen brauchen Zeit
Seit mehr als 140 Jahren hat das Raphaelswerk Erfahrungen in der Aus- und Weiterwanderung gesammelt, daher wissen die Mitarbeiterinnen, dass eine tragfähige Entscheidung seine Zeit braucht und auch immer wieder geändert werden kann.
Unsere Beratungsgespräche sind vertraulich und ergebnisoffen. Ziel ist, dass der Rückkehrer eine für sich tragfähige Entscheidung treffen kann, Unterstützung bei den Ausreisevorbereitungen erfährt, gute Bedingungen für einen Start schaffen und Zukunftsperspektiven für das Leben in seiner Heimat entwickeln kann, sagt Hoffmann.
Bei manchen Personen kann eine Rückkehr so schon nach 7 bis 10 Tagen erfolgen. In der Regel würden aber einige Monate für die Ausreisevorbereitung benötigt. Und nicht immer stehe nach einer längeren Beratungs- und Betreuungszeit die Ausreise an. Manchmal tun sich auch andere Wege und Möglichkeiten auf.
Finanzielle Unterstützung bei der Reintegration
Neben der Beratung werden im Raphaelswerk auch finanzielle Hilfen für die Ausreise und den Neubeginn gewährt oder in (EU-)Förderprojekte vermittelt, wo neben Reintegrationshilfen auch Existenzgründungen gefördert werden. So haben die Mitarbeiterinnen in den letzten Jahren Personen bei der Wohnungsausstattung, beim Möbeltransport und der Dokumentenbeschaffung unterstützen können.
Wir konnten sogar einen russischen Bauern mit Kälbern ausstatten, einem pakistanischen Rückkehrer bei der Gründung eines Schuhgeschäftes und einem chinesischen Koch beim Aufbau eines kleinen Restaurants helfen, sagt Magdalena Kruse mit einem Lachen und auch ein wenig Stolz in der Stimme.
Stark durch weltweite Vernetzung und Ehrenamt
Bei der Beratung und Unterstützung können die Mitarbeiterinnen auf zahlreiche und weltweite Netzwerke zurückgreifen, so dass die Hilfen nicht an der Grenze enden und auch vor Ort angeboten oder vermittelt werden können.
Mit großer Begeisterung erzählt Magdalena Kruse: Schwer beeindruckt sind wir auch von dem Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher und vermehrt von Landsleuten, die Flüchtlinge betreuen und begleiten, in ihre Familien aufnehmen und auch miteinander feiern.
Sobald ein Rückkehrwunsch geäußert oder eine Ausreiseaufforderung ausgesprochen wurde, erhalten wir von den Ehrenamtlichen Anfragen, mit der Bitte um Unterstützung bei der Ausreisevorbereitung und mögliche Rückkehrhilfen. Diese Begleitung entlastet auch uns sehr in unserer Arbeit, ergänzt Sabina Hoffmann.
Hilfreich für unsere tägliche Arbeit sind natürlich auch die zahlreichen Rückmeldungen, die wir von Auswanderern und Rückkehrern erhalten und die damit unsere Kenntnisse und die Qualität unserer Arbeit bereichern, sagt Magdalena Kruse zum Abschluss des Gesprächs.
Herzlichen Dank Ihnen beiden für die vielen wichtigen Informationen und Ihren unermüdlichen Einsatz für die hilfesuchenden Menschen.
Wenn Sie mehr über die Rückkehr- oder die Auswanderungsberatung des Raphaelswerkes erfahren möchten oder Fragen haben, wenden Sie sich gerne an die Beraterinnen
Magdalena Kruse und Sabina Hoffmann
Raphaelswerk Hannover e. V.
Vordere Schöneworth 10
30167 Hannover
Telefon 0511 713 237
Fax 0511 713 239
<link>hannover@raphaelswerk.net
Christiane Kemper