Von Brüdern, Puppen und Rüpeln

Katholische Schulen machen mit beim bundesweiten Vorlesetag

Gespannt warten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 4b der Kardinal-Bertram-Schule in Hannover-Döhren vor ihrem Klassenraum. Heute ist bundesweiter Vorlesetag. Auch in Hannover wird er begangen. An verschiedenen Orten lesen Bücherfreunde und Prominente aus bekannten oder weniger bekannten Büchern vor.

Es ist acht Uhr, der Pausen-Gong klingelt zur ersten Stunde. Statt der gewohnten Sitzordnung an den Tischen gibt es heute einen Stuhlkreis. Gäste werden erwartet, ehemalige Schülerinnen der Schule. Medina Talic und Nadine Raspotnigg haben hier in der Kardinal-Bertram-Schule ihre Grundschulzeit verbracht und gehen nun zur Ludwig-Windthorst-Schule (LuWi) in die 10. Klasse. Heute wollen sie den Mädchen und Jungen etwas vorlesen. Bereits im Vorfeld haben sie sich Gedanken gemacht, was sie den Viertklässlern vorlesen wollen. Wir haben was rausgesucht, sagt Medina, wovon wir glauben, dass es den Kindern gefällt. Medina und Nadine haben sich richtig Mühe gegeben und die Latte der Literaturauswahl ziemlich hoch gelegt. Die Geschichten sollten einfach zu verstehen und nicht zu lang sein, sagt Nadine und Medina ergänzt: Uns war auch wichtig, dass keine Schimpfwörter in den Geschichten vorkommen und möglichst wenig Fremdwörter.

Gekonnt, mit viel Betonung und fester Stimme lasen die Ehemaligen den Jüngeren vor. Ihre Auswahl war auf Geschichten von Astrid Lindgren aus dem Buch Die Puppe Mirabell und aus dem Buch Von Hexen, Riesen und so weiter von Anni M. G. Schmidt gefallen. Aufmerksam und konzentriert hörten die Schülerinnen und Schüler der Kardinal-Bertram-Schule zu. Wir haben extra was rausgesucht, wo man auch drüber Nachdenken muss, sagt Nadine, und wo man auch was draus lernen kann.

Doch nicht nur ältere Schülerinnen und Schüler der LuWi haben in ihren ehemaligen Grundschulen vorgelesen. Auch Klassen der LuWi selbst kamen in den Vorlesegenuss. So hatten sich die Klassen 5a und 5f auf den Weg zur Propsteikirche Basilika St. Clemens gemacht. Hier wurden sie von Propst Martin Tenge erwartet. Er erklärte den jungen Zuhörern erst einmal kurz die Basilika und erzählte ihnen vom Patron der Kirche, dem heiligen Bischof Clemens. Danach griff Tenge zum Buch: Ich habe euch etwas von Astrid Lindgren mitgebacht Die Brüder Löwenherz. Und ich habe hier eine Uhr, auf die muss ich schauen, damit ich nicht zu lange lese. Ich habe mich gestern Abend nämlich schon mal ein bisschen eingelesen und konnte gar nicht aufhören. Während Tenge von Krümel und Jonathan vorlas herrschte gebanntes Schweigen in der Kirche und erst im anschließenden Gespräch über das Gehörte wurde es lebendig in St. Clemens. Den Schülerinnen und Schülern hat es gut gefallen: Es war nur viel zu kurz. Das könnte man ruhig öfter machen. Auch Tenge war mit der Aktion mehr als zufrieden: Es hat mir viel Spaß gemacht. Zu sehen wie interessiert die Kinder zuhören, war schon spannend. Und vielleicht greift ja der eine oder die andere nun selbst zum Buch, um die Geschichte der Brüder Löwenherz selbst weiter zu lesen.

Der Vorlese-Aktionstag Große für Kleine ist Teil einer Initiative, die von der Wochenzeitung  DIE  ZEIT und der Stiftung Lesen, die im Jahre 2004 ins Leben gerufen wurde. Ziel  ist es, bei Kindern und Jugendlichen Freude am Lesen zu wecken. Denn nur noch in einem Viertel aller Haushalte mit Kindern im Alter von 0 bis 10 Jahren spielt das Vorlesen eine Rolle. Erschreckend ist auch, dass ein Viertel aller Jugendlichen in Deutschland nicht richtig lesen kann und fast die Hälfte nie ein Buch zum Vergnügen in die Hand nimmt. Diesem Trend will die Aktion entgegenarbeiten. In diesem Jahr fand der bundesweite Vorlesetag bereits zum siebten Mal statt.

(pkh)