Wir müssen die junge Generation erreichen

Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hannover e.V. wird sechzig Jahre alt

Ewald Wirth, ehemaliger Leiter der St. Ursula-Schule in Hannover und seit 2009 Vorsitzender der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Hannover e.V., über das Jubiläum und das komplizierte Verhältnis zur katholischen Kirche.

 

Waren die Deutschen 1953 wirklich offen für christlich-jüdische Zusammenarbeit - oder war das eher verordnet von den Alliierten?

Ewald Wirth: Die Alliierten, besonders die Amerikaner, haben die Gründung der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit angeregt, nach dem Vorbild der Gesellschaften für Brüderlichkeit  in den USA. Es wurden gezielt Leute gesucht, die Interesse an dem Thema hatten. Zuerst war der Kreis sehr klein. Aber man muss es so sehen wie der emeritierte Landesrabbiner Henry G. Brandt. Er sagte, es grenze schon ein Wunder, dass so etwas in Deutschland nach der Shoah überhaupt möglich war.

Welche Rolle spielt die katholische Kirche in der GCJZ Hannover?

Ursprünglich war vorgesehen, dass die Gesellschaft jeweils einen jüdischen, einen evangelischen und einen katholischen Vorsitzenden hat. Es dauerte jedoch bis 1974, bis sich zum ersten Mal ein katholischer Vorsitzender fand. Die erste Vorsitzende, Schulrätin Wilhelmine Ludwig, war konfessionslos. Sie setzte durch, dass die Gesellschaft noch im Gründungsjahr umbenannt wurde in Gesellschaft für Brüderlichkeit, also ohne Hervorhebung des christlich-jüdischen Dialogs. Offenbar war das für Katholiken nicht akzeptabel. Erst 1977 gab sich die Gesellschaft wieder den ursprünglichen Namen. Leider sind bis heute nicht viele katholische Christen bei uns aktiv.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Vielleicht liegt es daran, dass der christlich-jüdische Dialog in der katholischen Kirche meistens als Sache der Experten angesehen und kaum auf Gemeinde-Ebene geführt wird. Hinzu kommt natürlich, dass es  bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil einen ausgeprägten Anti-Judaismus in der Kirche gab. Da müssen wir als katholische Christen einfach eine Mitschuld an der Shoah eingestehen. Erst mit dem Zweiten Vatikanum setzte eine kopernikanische Wende in der Theologie ein: Verachtung für das Judentum wandelte sich in Respekt.

Seit 2011 verzeichnen Sie wieder steigende Mitgliedszahlen. Wie schaffen Sie das?

Wir versuchen, Kontakte zu nutzen und gehen persönlich auf Menschen zu, die Interesse zeigen. Wir müssen die junge Generation erreichen. Deswegen haben wir 2012 zum ersten Mal die Abraham-Plakette verliehen. Damit zeichnen wir im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit Schülerinnen und Schüler aus, die sich für Erinnerung und Versöhnung engagieren. 2016 wird die bundesweite Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit mit rund 60 Veranstaltungen in Hannover stattfinden. Dafür habe ich mich eingesetzt.

Haben Sie einen Wunsch zum 60-jährigen Jubiläum?

2003 hat uns das Land die Zuschüsse gestrichen. Zusammen mit den anderen GCJZ in Niedersachsen werden wir uns bei der neuen Landesregierung dafür einsetzen, dass dieser Beschluss zurückgenommen wird. Von unseren Mitgliedsbeiträgen können wir kaum Referenten-Honorare bezahlen. Mit Zuschüssen vom Land könnten wir im Bildungsbereich noch aktiver werden.

 

Am Sonntag, 26. Mai um 16 Uhr wird das Jubiläum in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover (Haeckelstr. 10) gefeiert. Für den musikalischen Rahmen sorgt der Europäische Synagogalchor unter Leitung von Prof. Andor Izsák.