Wohin mit dem Geld?
Stück für Stück fressen derzeit niedrige Zinsen und Inflation die sorgsam angelegten Ersparnisse von Jahrzehnten auf. Ein Problem, das seit der Finanzkrise nicht nur viele Sparer im Bistum umtreibt. Auch Kirchengemeinden, kirchliche Verbände und Stiftungen kommen in finanzielle Schwierigkeiten ? gerade wenn Geld zusammengespart werden muss, weil in einigen Jahren große Investitionen anstehen.
Das Bistum Hildesheim hat seit Anfang des Jahres Richtlinien herausgegeben, nach denen Kirchengemeinden und Co. Geld gewinnbringend anlegen dürfen. Sie sollen neue Wege öffnen, aber auch vor zuviel Risiko schützen. Auch in Hannover nutzen einige Gemeinden und Stiftungen die neuen Regelungen. Zum Beispiel die Stiftung Kirche sein- Region Hannover.
Sie wurde 2005 gegründet, als sich ein Großspender bei dem damaligen Propst Klaus Funke meldete. Er wolle 80.000 Euro spenden, für die Arbeit des Regionaldekanates. Aber das Geld solle nicht einfach so ausgegeben werden, sondern gestiftet werden und langfristig etwas Gutes tun. Also haben wir die Stiftung gegründet, erinnert sich Horst Vorderwülbecke an diese Zeit zurück. Das Geld haben wir mit fünf Prozent Verzinsung gestaffelt auf zehn Jahre festgelegt und so jedes Jahr rund 3.000 Euro für die Arbeit der Stiftung ausschütten können. Vorderwülbecke ist Geschäftsführer der Stiftung, die vor allen Dingen pastorale Projekte und die Arbeit in katholischen Kindertagesstätten und Schulen fördert. Die 3.000 Euro jährlich wurden auf mehrere Projekte verteilt, die damit finanziell unterstützt wurden. Rund 200 Euro standen pro Projekt zur Verfügung. Unter anderen ein Dekanatsfamilientag des Regionaldekanates Hannover wurde so im vergangenen Jahr durch die Stiftung bezuschusst.
Wir mussten zwar immer ein bisschen Geld zurücklegen, um die Inflation auszugleichen, damit unser Grundstock an Geld immer gleich viel wert ist. Aber das war bis ins Jahr 2009 eigentlich kein Problem, sagt Vorderwülbecke. Mit der weltweiten Finanzkrise begannen allerdings genau wie für viele Privatanleger auch für die kirchliche Stiftung die Schwierigkeiten: Bei der derzeitigen Zinslage haben wir uns ausgerechnet, wie lange wir noch jährliche Ausschüttungen vornehmen können. Nach circa zehn Jahren hätten wir jährlich nur noch null Euro zur Verfügung gehabt. Da mussten wir alle erst einmal kräftig schlucken.
Früher waren nur klassische Geldanlagen erlaubt
Wohin mit dem Geld? Ein Problem, vor dem auch Kirchengemeinden und kirchliche Verbände stehen, die berschüsse erwirtschaften. Oder die Geld zurücklegen müssen, weil in den kommenden Jahren eine große Investition ansteht. Bisher waren die Möglichkeiten dabei sehr eingeschränkt: Nur die klassischen Geldanlagen wie Tagesgeldkonten und Sparbücher bei Banken waren erlaubt. Eine Gemeinde konnte so zum Beispiel ihr Geld auf zehn Jahre bei einer Bank festlegen und jedes Jahr durch die Zinsen und durch eine Auszahlung von bestimmten Geldmengen gut leben. In Zeiten von nicht mehr existierenden Zinsen bedeutet das heute allerdings eine schleichende Verarmung der Gemeinden. Das angelegte Geld wird immer weniger wert.
Das Bistum Hildesheim, das dieses Problem erkannt hat, hat darum Anfang dieses Jahres neue Richtlinien herausgegeben, nach denen Kirchengemeinden, Verbände und kirchliche Stiftungen ihr Geld anlegen dürfen. Wir haben jetzt als Stiftung mehr Möglichkeiten als früher, weil wir bis zu sechzig Prozent unseres Geldes in Aktienfonds oder Anleihen anlegen können. Wir können mehr streuen, sagt Vorderwülbecke. Er machte sich schlau auf dem Markt und stellte fest: Mehr Rendite bedeutet aber auch mehr Risiko. Ich als Geschäftsführer einer Stiftung oder ein Kirchenvorstand einer Gemeinde verwenden das uns angetraute Geld treuhänderisch. Wir dürfen damit nicht spekulieren. Auch die Frage, wie der Gewinn bei bestimmten Anlagen erwirtschaftet wird, erschloss sich ihm nicht immer. Ich bin kein genauer Branchenkenner und habe bald festgestellt, dass viele Angebote von Banken erstens gar nicht für Gemeinden und Stiftungen vorgesehen sind. Und zweitens bleibt selbst bei einem einfachen Aktienfond unklar, wofür genau das Geld verwendet wird und die berschüsse herkommen.
Trotz neuer Regeln: keine Spekulationen möglich
Damit Spekulationen und Investitionen in windige Geschäfte nicht passieren können, hat das Bistum in seinen Richtlinien vorgesorgt: Jede neue Anlageform wie zum Beispiel Aktienfonds oder Immobilienfonds muss ethischen Grundsätzen und dem Gedanken der Nachhaltigkeit folgen, die die Bischofskonferenz in einem Papier festgelegt haben. Eine breite Streuung des Geldes ist festgelegt und bestimmte Risikogeschäfte wie der Kauf von Bankanleihen dürfen nur erfolgen, wenn diese Anleihen bestimmten Sicherheitsüberprüfungen standhalten. Dies ist daran zu erkennen, dass diese mit einem bestimmten Rating ausgezeichnet werden.
Für unsere Stiftung stand bald fest, dass wir mit einer Bank zusammen arbeiten müssen, die die Richtlinien genau kennt und versteht. Gerade auch die ethischen Aspekte waren uns dabei wichtig, erklärt Vorderwülbecke. Es sollte eine kirchliche Bank oder eine Ordensbank sein. Mit im Rennen: die genossenschaftliche DKM- Bank in Münster, die sich auf kirchliche Kunden spezialisiert hat. Sie bietet einen Mix aus Immobilienfond, Aktienfond und Anleihenfonds an. Für den dortigen Bankberater der Stiftung, Wolfgang Klose, sind die neuen Richtlinien des Bistums Hildesheim eine große Arbeitserleichterung: Ich kann jetzt gleich das passende Produkt für meine Kunden raussuchen: breit gestreut und nach ethischen und nachhaltigen Grundsätzen, sagt er. Das heißt, dass bei uns die Kunden sicher sein können, dass wir nicht in Rüstungsprojekte oder in Ländern investieren, in denen die Menschenrechte massiv verletzt werden. Auch die DKM- Bank selbst lege ihr eigenes Kapital nach diesen Grundsätzen an. Wir versprechen dabei eine Sicherheit von weit über 90 Prozent, dass das Geld nach ethischen und nachhaltigen Grundsätzen angelegt wird. Für manche Branchen, wie zum Beispiel Immobilienfonds, gebe es nämlich noch nicht nachvollziehbare Kriterien, was nachhaltig heißt.
Stiftungsrat und Geschäftsführer der Stiftung ?Kirche sein Region Hannover? sind erleichtert: Wir werden jetzt anhand der neuen Richtlinien schrittweise unser gesamten Stiftungskapital von aktuell 90.000 Euro neu anlegen können und hoffentlich noch viele Jahre damit Gutes tun, sagt Vorderwülbecke.
Und so funktionieren die neuen Richtlinien fürs Geld anlegen:
Das geht:
klassische Anlagen bei Banken
Sparbücher, Tagesgeldkonten und Einlagen
als sicher geltende Anleihen
Wertpapiere des Bundes oder der Bundesländer
bestimmte Pfandbriefe und Anleihen, die über eine Garantie des Bundes und die höchst mögliche Sicherheit verfügen
Geldmarktfonds (Investmentfonds, die mit speziellen, sehr kurzfristigen Produkten handeln), aber nur wenn diese die höchstmögliche Sicherheitsstufe nachweisen können
Aktienfonds, aber nur bis zu 15 Prozent des anzulegenden Geldes
Immobilienfonds, aber nur bis zu 10 Prozent des anzulegenden Geldes
Fondsanleihen an Unternehmen und Banken, die mindestens über die Sicherheitsstufe BBB- verfügen, aber nur 20 Prozent des anzulegenden Geldes
Anlagen in anderen Währungen, aber nur in Fonds und nur 10 Prozent des anzulegenden Geldes
Das geht nicht:
jede Form von Geldanlage, die nicht den Grundsätzen der Deutschen Bischofskonferenz zum ethisch- nachhaltigen Investieren entspricht
Anlagen in Rohstoffe (auch Gold und weitere Edelmetalle)
jede Form von Derivate, eine Art Wetten, die auf bestimmte Kurs- und Preisentwicklungen abgeschlossen werden und hinter denen kein real greifbarer Gegenwert wie Anteile an einem Unternehmen stehen
Aktien ohne Einbettung in einen Aktienfond
Risiko- Investmentfonds wie Hedge- Fonds oder Private- Equity- Fonds
Darlehen als Form der Kapitalanlage
Marie Kleine